Lenz

Lenz by Georg Büchner Read Free Book Online Page A

Book: Lenz by Georg Büchner Read Free Book Online
Authors: Georg Büchner
Tags: Classics
einige Küsse auf den Mund und sagte: Dies wären die Streiche, die ich ihm zu geben hätte, er möchte ruhig seyn, seine Sachen mit Gott allein ausmachen; alle möglichen Schläge würden keine einzige seiner Sünden tilgen, dafür hätte Jesus gesorgt, zu dem möchte er sich wenden. Er gieng.
    Beim Nachtessen war er etwas tiefsinnig. Doch sprachen wir von allerlei. Wir giengen endlich vergnügt von einander und zu Bette. — Um Mitternacht erwachte ich plötzlich; er rannte durch den Hof, rief mit harter etwas hohler Stimme einige Sylben, die ich nicht verstand; seitdem ich aber weiß daß seine Geliebte Friedericke * hieß, kommt es mir vor als ob es dieserName gewesen wäre, mit äußerster Schnelle, Verwirrung und Verzweiflung ausgesprochen. Er stürzte sich, wie gewöhnlich, in den Brunnentrog, pattschte drinn, wieder heraus und hinauf in sein Zimmer, wieder hinunter in den Trog, und so einige Mal — endlich wurde er still. Meine Mägde, die in dem Kindsstübchen unter ihm schliefen, sagten, sie hatten oft, insonderheit aber in selbiger Nacht, ein Brummen gehört, das sie mit nichts als mit dem Ton einer Habergeise zu vergleichen wüßten. Vielleicht war es sein Winseln mit hohler, fürchterlicher, verzweifelnder Stimme.
    Freitag den 6., den Tag nach meiner Zurückkunft, hatte ich beschlossen nach Rothau, zu Hrn. Pfr. Schweighäuser zu reiten. Meine Frau gieng mit. Sie war schon fort, und ich im Begriff auch abzureisen. Aber welch ein Augenblick! Man klopft an meiner Thüre, und Hr. L. tritt herein mit vorwärts gebogenem Leibe, niederwärts hängendem Haupt, das Gesicht über und über und das Kleid hier und da mit Asche verschmiert, mit der rechten Hand an dem linken Arm haltend. Er bat mich ihm den Arm zu ziehen, er hätte ihn verrenket, er hätte sich zum Fenster herunter gestürzt; weil es aber Niemand gesehn, möcht’ ich’s auch Niemand sagen.
    Ich that was er wollte und schrieb eilends an Sebastian Scheidecker, Schullehrer von Bellefosse, er solle herunter kommen,Hrn. L. hüten. Ich eilte fort. Sebastian kam und richtete seine Commission unvergleichlich aus, stellte sich als ob er mit uns hätte reden wollen, sagte ihm daß, wenn er wüßte daß er ihm nicht überlästig oder von etwas abhielte, wünschte er sehr einige Stunden in seiner Gesellschaft zu seyn. Hr. L. nahm es mit besonderem Vergnügen an, und schlug einen Spaziergang nach Fouday vor, — gut. Er besuchte das Grab des Kindes das er hatte erwecken wollen, kniete zu verschiedenen Malen nieder, küßte die Erde des Grabes, schien betend, doch mit großer Verwirrung, riß etwas von der auf dem Grab stehenden Krone ab, als ein Andenken, gieng wieder zurück gen Waldersbach, kehrte wieder um, und Sebastian immer mit. Endlich mochte Hr. L. die Absicht seines Begleiters errathen; er suchte Mittel ihn zu entfernen. Sebastian schien ihm nachzugeben, fand aber heimlich Mittel seinen Bruder Martin von der Gefahr zu benachrichtigen, und nun hatte Hr. L. zween Aufseher statt einen. Er zog sie wacker herum, endlich gieng er nach Waldersback zurück; und da sie nahe am Dorf waren, kehrte er wie ein Blitz um, und sprang, ungeachtet seiner Wunde am Fuß, wie ein Hirsch gen Fouday zurück. Sebastian kam zu uns um uns das Vorgegangene zu berichten, und sein Bruder setzte dem Kranken nach. Indem er ihn zu Fouday suchte, kamen zwei Krämer und erzählten ihm, man hätte in einem Hause einen Fremden gebunden, dersich für einen Mörder ausgäbe, und der Justiz ausgeliefert seyn wollte, der aber gewiß kein Mörder seyn könnte. Martin lief in das Haus und fand es so; ein junger Mensch hatte ihn, auf sein ungestümes Anhalten, in der Angst gebunden. Martin band ihn los und brachte ihn glücklich nach Waldersbach. Er sah verwirrt aus; da er aber sah daß ich ihn wie immer freundschaftlich und liebreich empfieng und

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